Frauenfelder Stadtgalerie zeigt rastlosen Rinaldo Wälti

2023-03-01 10:58:25 By : Mr. Chuanbiao Xu

«A Collective Disaster» heisst die neue Schau in der Stadtgalerie Baliere, die am 3. Februar Vernissage feiert. Der junge Autodidakt Rinaldo Wälti bewegt sich zwischen verschiedenen Medien, zeigt dabei politisch und poetisch aufgeladene Kunst.

Er braucht das Instabile. «Irgendwann fühle ich mich sicher. Dann ist die Gefahr gross, dass ich anfange, mich zu langweilen», sagt Rinaldo Wälti. Der 27-Jährige stammt aus Aadorf, hat seine Jugend unter anderem in Frauenfelds kulturellen Off-Spaces verbracht. Heute lebt er in Winterthur, betreibt dort das Atelier Lüthi, wo junge Kunstschaffende Ateliers finden, und sein Strange-Habits-Studio, das die Anfänge in Wältis Textilarbeiten hat. Wälti ist gleichermassen rastlos wie bemerkenswert fokussiert in seinem künstlerischen Schaffen.

In der Stadtgalerie zeigt er etwas mehr als ein Dutzend Siebdrucke, rund 40 Fotografien in Schwarz-Weiss sowie mehrere installative Situationen im Raum. Die Analogfotografien, die Wälti selber entwickelt, haben starke Kontraste. Feiner geartet und, wie er selber sagt, ungewohnt bunt sind indes die Siebdrucke. Mit diesem Medium hat Wälti schon länger gearbeitet, vielfach im Textilen. In jüngerer Vergangenheit hat der gelernte Zimmermann auch seinen Lebensunterhalt mit seinen Kleiderkollektionen bestritten. Die Fotografie dagegen ist ein künstlerischer Ausweg. Er sagt:

Vor einem Jahr hat er begonnen, sich mit Analogfotografie intensiv zu beschäftigen. Er brauche die Herausforderung, sagt Wälti. Das analoge Fotografieren treibt ihn an, weil es nur schwer planbar ist. Erst beim Entwickeln sieht er das Resultat. Schnappschüsse seien es, höchst selten inszeniert. Was ihn berührt und bewegt, da hält er drauf. Den Motiven ist ein poetisches Moment inne, das aber noch roh ist. Möglicherweise kommt das aus der Street-Art, mit der er sich früher beschäftigt hatte.

Die Siebdrucke haben die Schwarz-Weiss-Fotografie als Ursprung. Wälti entnimmt den Fotos Elemente, teils auch Details, arrangiert sie neu, entfremdet sie zu Ornamentalem oder setzt sie in ungewohnte Kontexte. Das Wort Nische verwendet Wälti immer wieder. Er zeige mit und in seinen Fotos Nischen. Das Nebensächliche, das viele weniger interessiert, fasziniert ihn. So gibt er diesen Nischen einen Wert.

Wälti generiert für sich selber zusätzlich Wert durch den Kontext, in dem die Motive entstanden sind. In der Literaturwissenschaft würde man von Autorintention sprechen. Für ihn ist es aber in keiner Weise zwingend, dass man beim Lesen diese Autorintention erfahren will, geschweige denn kennt. So bleibt Wälti fragmentarisch und selbst dokumentarisch.

Wälti bleibt durch diese Poetik voller Leerstellen überraschend. Gleich verhält es sich mit seinem Zugang zu Lützerath, einem Weiler in Nordrhein-Westfalen (Deutschland), der komplett abgerissen wurde, um den Braunkohletagebau ausdehnen zu können. Lützerath ist für Wälti ein Sinnbild für politische Agitation und die Rückeroberung des öffentlichen Raums. Subtil sind die Fotografien, als er vergangenen Sommer dort weilte und sich in der Bewegung engagierte.

Gleich verhält es sich mit der Videoinstallation auf einem Erdhaufen, der mit dem Rotlicht von Stirnlampen beleuchtet wird. Dazu läuft eine Soundcollage (von Musiker Peter Kradolf aus Frauenfeld) mit Fetzen von Demoslogans und Polizeidurchsagen. Wälti hat mit der Handykamera durch einen Feldstecher gefilmt. So wirken die riesigen Bagger im Abbaugebiet, als wären sie in einer anderen Welt. Zugleich hat der Künstler in Lützerath geholfen, einen Gemüsegarten zu bewirtschaften, der zehn Meter vom Tagebauabgrund entfernt war. Darauf bezieht sich eine weitere Installation mit Maschendrahtzaunrollen und dem Textelement «No authority has ever made me doubt the worth of my own growing garden».

Vernissage: 3. Februar, 19 Uhr. Bis 19. Februar. Freitag, 17 bis 22 Uhr; Samstag, 14 bis 22 Uhr; Sonntag, 14 bis 20 Uhr. Stadtgalerie Baliere, Frauenfeld. www.baliere-frauenfeld.ch Instagram: @strangehabits_studio