Jung und solidarisch: Selbstbau von Solaranlagen - energiezukunft

2023-03-01 11:00:57 By : Ms. Cherry Chen

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In Zeiten knapper Handwerksressourcen ist Selberbauen eine verlockende Alternative – besonders wenn es dabei solidarisch zugeht und Profis von Anfang bis Ende die Projekte steuern. Zwei Initiativen machen hierfür das passende Angebot.

14.11.2022 – Wer in Kassel oder Bremen beim Bau seiner eigenen Solaranlage selbst Hand anlegen will und sich für Arbeiten und Finanzieren in gemeinschaftlichen Strukturen begeistern kann, der hat gute Chancen, sein Vorhaben in die Tat umzusetzen.

In Kassel ist es die als Verein organisierte SoLocal Energy, die bereits acht Projekt im Selbstbau verwirklicht hat. In Bremen ist es die ebenfalls als Verein organisierte Bremer Solidarstrom, die sich dem Solar-Selbstbau verschrieben hat. Klar, eine Solaranlage ist keine Bastelarbeit – aber die Konzepte und verwirklichten Projekte zeigen, dass es funktionieren kann.

Die Anfänge der Initiative reichen ein paar Jahre zurück. Eine Handvoll Studierende verschiedenster Studiengänge war sich darüber einig, nach dem Studium nicht in einem großen Unternehmen arbeiten zu wollen, sondern selbst etwas auf die Beine zu stellen und sich kollektiv zu organisieren.

Nach dem Studium kam dann ein Gründungsstipendium vom Land Hessen zur rechten Zeit. „Wir haben uns beworben. Damals war die Idee, das Energy Sharing mit einer digitalen Plattform zu erleichtern. Wir erhielten das Stipendium, mussten aber feststellen, dass das Energy Sharing noch gar nicht so weit war. Es fehlten – und fehlen jetzt zweieinhalb Jahre später immer noch – die gesetzlichen Rahmenbedingungen.“

2020 gab es für einige Monate die Gründungsförderung und die Gruppe suchte nach einer sinnvollen Geschäftsidee für das hier und heute. „Mit einem Rundum-Sorglospaket bauten wir Vertrieb und Beratung von Balkon-Modulen auf. Dieses Standbein haben wir immer noch, mit dem Lastenrad liefern wir aus und installieren auch auf Wunsch im Stadtgebiet Kassel“, berichtet Kerstin Lopau, eine der Gründerinnen und Ingenieurin für Erneuerbare Energien. Aber die studierten Solar-Enthusiasten merkten schnell, dass sie mehr bewegen wollen – und so kam es zur Selbstbau-Initiative.

Die Schweizer Initiative Selbstbau war Vorbild, allerdings hat diese ein strenges Stundentauschmodell. Als Mitstreiter und Ideengeber kam Christian Gutsche vom Bremer Solidarstrom hinzu. „Anders als bei unserem schweizerischen Vorbild, wollten wir den kollektiven und solidarischen Gedanken stark berücksichtigen. Wir kannten die solidarische Landwirtschaft und haben uns auch an diesen Modellen orientiert. Wir wollten die SoLaWi-Prinzipien auf den Energiebereich übertragen“, erzählt Lopau und verweist auf das CSX-Netzwerk, das sich der Übertragung der Prinzipien der solidarischen Landwirtschaft auf andere Wirtschaftsbereiche verschrieben hat. Die Abkürzung steht für Community Supported Everything.

Aus diesen verschiedenen Inputs wurde das Kasseler Modell des gemeinschaftlichen solidarischen Selbstbaus entwickelt. Das Modell zu gestalten hat etwas Zeit gebraucht. Jetzt steht es: Es werden Gruppen von sechs bis acht Menschen gebildet, die eine Solaranlage errichten wollen. Jede:r ernsthafte Interessent:in erhält ein individuelles Angebot für das jeweilige Dach.

Von der Größe her gibt es keine Einschränkungen, allerdings darf die Dachneigung maximal 30 Grad betragen – um die Sicherheit bei den Installationsarbeiten gewährleisten zu können. Für die Bietrunde werden alle Kosten für Planung, Material und Bauleitung als Summe zusammengerechnet und da jeder weiß, was er zahlen müsste, wenn er seine Anlage ohne Gemeinschaft errichten würde, gibt es auch einen individuellen Richtwert. Alle in der Gruppe versammelten Menschen sagen dann, welche Geldsumme sie in den Topf zu geben wollen. Das kann offen oder anonym geschehen, die Bieter können mehr oder weniger in den Topf geben, je nach finanzieller Situation. Kommt die notwendige Finanzierung nicht zustande, gibt es Stellschrauben. Beispielsweise kann eine Anlage kleiner als ursprünglich geplant werden. „Denn der Ansatz von SoLocal Energy ist, die Anlagen auf das technische Optimum hin zu planen, also die Dächer möglichst voll zu machen“, erklärt Lopau. Reichen dann die finanziellen Mittel nicht, werden eine oder mehrere Anlagen kleiner geplant.

In den Angeboten werden die Materialkosten mit einem kleinen Sicherheitsaufschlag weitergegeben, sowie die Arbeitsleistung für Planung und Bauleitung eingepreist. Die Arbeitsleistung der Selbstbauer:innen wird nicht in Geld bewertet.

Lediglich die Baustellentage und benötigten mithelfenden Personen werden kalkuliert. Die Mithelfenden können die zukünftigen Betreiber der Anlage und deren Freunde und Freundinnen sein oder aber Helfer:innen aus einem Kreis, den die Initiator:innen inzwischen in mehreren Selbstbauprojekten gefunden hat und die gerne immer mal wieder mithelfen.

Für die Inbetriebnahme arbeitet das Team von SoLocal Energy im Moment mit einem Kooperationspartner zusammen, weil die entsprechende Konzession vom Netzbetreiber noch nicht vorliegt. Aber alles rund um den Netzanschluss ist mit im Angebot enthalten, inklusive der gesetzlich vorgeschriebenen Gewährleistung.

Weil die Menschen die Anlage mit aufbauen, verstehen sie viel besser, wie alles funktioniert. Verbaut werden– da der Verein seinen Sitz in Kassel hat – fast ausschließlich die Wechselrichter vom Hersteller SMA. Die Geräte haben die entsprechenden Monitoringfunktionen und die Apps, die es den Nutzern ermöglichen, die Erträge der eigenen Anlage im Blick zu behalten. In der letzten Runde war sogar ein Mitarbeiter von SMA in der Baugruppe, der zusätzlich viel Wissen weitergeben konnte.

Bei den Komponenten – Modulen und Wechselrichtern – spielt der Solidaritätsgedanke ebenfalls eine wichtige Rolle. Wenn weitere Preise und Angebote für spezielle Komponenten eingeholt werden müssten, würde das für alle Gruppenmitglieder einen höheren Preis bedeuten. Zudem erhält das Unternehmen bessere Preise, wenn höhere Stückzahlen bestellt werden.

Vertraglich binden sich die Interessierten nur an SoLocal Energy; das nach der Bietrunde zustande gekommene Angebot wird beauftragt. Untereinander haben die Gruppenmitglieder keinen Vertrag, die Mithilfe bei der Installation, die Aktivierung von weiteren Mithelfenden läuft auf Vertrauensbasis.

Die Sicherheit von ungeübten Laien zu gewährleisten, aber auch die professionelle Installation selbst, ist eine große Aufgabe – für die der Verein ein klares Konzept hat.

„Der erste wichtige Punkt: Wir kommunizieren von Anfang an, dass es auf der Baustelle nicht unbedingt schnell gehen muss. Natürlich ist es gut, in der geplanten Zeit fertig zu werden, aber wir hetzen niemanden.“

Zudem ist immer klar, dass für die Bauleitung das Team von SoLocal Energy verantwortlich zeichnet, deren Anweisungen alle folgen müssen. Und natürlich gibt es eine Sicherheitseinweisung zum Umgang mit dem Gerüst, mit dem Dachaufzug, mit dem Werkzeug, zum Verhalten auf dem Dach, Sonnenschutz und Arbeitskleidung. Darüber hinaus sind die Mithelfenden über eine Bauhelfer-Gruppen-Unfallversicherung versichert. Die Fachkräfte der Selbstbauinitiative sind mindestens zu zweit vor Ort und versuchen die Arbeit so zu teilen, dass bei jedem Arbeitsschritt immer eine Ansprechpartner:in in der Nähe ist. Der Arbeitstag beginnt mit einem gemeinsamen Auftakt. Es wird besprochen, wer was macht. Werden Aufgaben von den Mithelfenden zum ersten Mal ausgeführt, werden sie mit dem Werkzeug vertraut gemacht und bei den ersten eigenen Handgriffen schaut ihnen ein Profi über die Schulter.

Kerstin Lopau erzählt: „Irgendwann kann man die Leute dann auch alleine lassen. Wenn es darum geht, Dachhaken in die Sparren zu schrauben, ist das durchaus ein Arbeitsschritt, der von den meisten ausgeführt werden kann. Die Menschen sammeln Erfahrung und da mehrere Anlagen gemeinschaftlich errichtet werden, ist die Lernkurve tatsächlich zu sehen und beflügelt. Außerdem machen wir sehr deutlich, dass sich jede und jeder immer melden kann, der sich unsicher fühlt oder auch nach einiger Zeit auf dem Dach ein Problem mit der Höhe bekommt.“

Ein Großteil der Arbeit ist mechanische Arbeit. Die meisten Dächer sind Satteldächer mit Dachziegeln. Dort müssen die Dachziegel abgeschliffen, die Dachhaken festgeschraubt und darauf die Unterkonstruktion befestigt werden. In den richtigen Umgang beim Transport und Handling der Module wird ausführlich eingewiesen.

Elektroarbeiten und Verkabelungen führt kein Laie aus, ebenso wenig Crimpverbindungen oder den Wechselrichteranschluss. Gecrimpte Steckerverbindungen sind nicht häufig Fehlerquellen, auch wenn sie von Profis ausgeführt werden.

„Es sind viele kleine Dinge, es ist die Balance zwischen Vertrauen, den Menschen etwas zutrauen und wachsam sein. Wir sind überzeugt, dass wir die Wachsamkeit gut vermitteln können durch unsere Vorbildrolle“, fasst Lopau zusammen.

Weil manche zweifelnden Fragen immer wieder gestellt werden, hat das Schwesterprojekt, der Bremer SolidarStrom ein Rechtsgutachten erstellen lassen, das die wichtigsten rechtlichen Fragen beantwortet. Ja, Laien dürfen Solarmodule auf dem Hausdach anbringen, jedoch keine Gerüstbau-, Dachdecker- oder Elektroarbeiten ausführen. Die gesetzliche Gewährleistung wird vom Verkäufer – der SoLocal Energy – getragen, ebenfalls die immer notwendige Haftpflichtversicherung für Schäden gegenüber Dritten. Die Selbstbaustunden von Freunden dürften als Gefälligkeit gelten und nicht als Schwarzarbeit.

Inzwischen hat SoLocal Energy acht verschiedene Projekte im gemeinschaftlichen Selbstbau realisiert: ein großes Flachdach, ein kleines Flachdach, verschiedene Satteldächer und ein Gründach. Im Moment gibt es eine gute Mischung zwischen inzwischen alten Hasen, die gern helfen und neuen, aber unerfahrenen Interessierten.

Neben dem Solidargedanken, der sie vereint, schätzen die Kasseler PV-Selbstbau-Organisatoren besonders, dass alle Projektschritte von A bis Z hautnah begleitet werden können: „In einer großen Firma sieht man oft nur Ausschnitte. Wir kommen mit unseren Kunden in Kontakt, sie entscheiden sich, wir planen die Anlage, wir bauen sie gemeinsam und sind bei der Inbetriebnahme dabei. Das ist schon sehr erfüllend, anders als auf einem Formular die Kilowattpeak ans Netz gehen zu sehen.“

Die Mischung der verschiedenen Arbeitsaufgaben sei ein weiteres Plus, erzählt Lopau weiter: „Niemand sitzt nur am Computer oder schraubt den ganzen Tag. Wir sind mit Menschen in Kontakt und das liegt uns am Herzen. Den Stolz der Menschen zu erleben, wenn sie ihre eigene Anlage mitgebaut haben, ist ein schönes Gefühl, ein sehr besonderer Moment.“ Für Lopau persönlich ist auch bedeutsam, insbesondere Frauen zu empowern, ihr Zutrauen in handwerkliche Fähigkeiten zu stärken. „Sich Zeitnehmen und den Menschen etwas zutrauen ist ein Erfolgsrezept. Das erlebe ich immer wieder.“

Nicht zuletzt ist die sehr enge Kooperation mit Bremer Solidarstrom für Lopau stetige Inspiration und zugleich doppelter Boden. Man hilft sich gegenseitig – mit Beratung, Ideen oder auch ganz konkret mit Befestigungsmaterial, wenn es sein muss. Der Bremer Solidarstrom hat in Bezug auf den solaren Selbstbau eine ähnliche Geschichte – die Anfänge wurden 2020 gemacht, wie in Kassel mit dem Vertrieb von Steckersolargeräten. Inzwischen haben auch die Bremer rund 8 Selbstbauprojekte realisiert – wobei zwei wegen fehlender Wechselrichter noch nicht am Netz sind.

In Bremen ist es eine Gruppe um Christian Gutsche, die den Solidaritätsgedanken und das gemeinschaftliche Wirtschaften als Grundprinzip verfolgt. Anders als in Kassel wurden aber bisher noch keine Gruppen gebildet und in den gemeinsamen Bauprozess geschickt, sondern es helfen freiwillige Stammkräfte und Helfer aus dem Umfeld des Kunden. Doch der Unterschied ist für Gutsche nicht wirklich entscheidend: „Ich finde das Gruppen-Konzept von SoLocal Energy sehr charmant, denn das schafft ja Gemeinschaft. Bei uns hat es sich bisher einfach anders entwickelt. Wir haben Leute eingesammelt, die einfach Bock darauf hatten, mitzuarbeiten. In dieser Gruppe schaffen wir Gemeinschaft.“ Im Interview betont er, wie wichtig solidarische Strukturen sind, um kooperativer miteinander zu wirtschaften.

Inzwischen erhalten die Selbstbau-Organisatoren Anfragen von Menschen, die das Konzept gern übernehmen wollen. Sogar aus Frankreich wurde schon angefragt. Das Modell des organisierten Selbstbaus soll demnächst über eine eigene Plattform in die Breite getragen werden. Im Moment wird das Wissen mit Webinaren an Interessierte weitergegeben. Andere aktive Gruppen im Genossenschaftsumfeld wollen mitmachen. Petra Franke

Besonders schön wäre es, wenn ukrainische Flüchtlinge angelernt werden könnten, die dann nach dem Krieg hoffentlich bald die Ukraine mit EEG versorgen könnten! Vielleicht gibt das Arbeitsamt Lohnkosten erstattung und Zuschüsse!?